Erntedank mit großen Sorgen

2.10.22 An diesem Sonntag begehen wir das Erntedankfest. Für uns Bäuerinnen und Bauern ist das immer wieder ein besonderer Tag. Wir danken dabei für die Möglichkeiten, die uns die Schöpfung bietet. Sie ist neben dem menschlichen Tun die entscheidende Grundlage für das Wachsen und Gedeihen auch in diesem Jahr. Der so selbstverständlich reich gedeckte Tisch braucht zunächst immer erst einmal eine gute Ernte.

Das aktuelle Erntejahr ist fast abgeschlossen, es stehen noch einige Zuckerrüben auf den Feldern, trotzdem können wir schon bilanzieren: Unsere Gunststandorte in Südniedersachsen konnten der erheblichen Trockenheit durch ihre hohe Wasserhaltefähigkeit bis zur Ernte der Mähdruschfrüchte recht gut trotzen: Die Erträge waren bei großen Schwankungen insgesamt überraschend gut. Große Einbrüche gab es bei der Grasernte für die Milchviehhaltung und beim Mais für Rinder und Biogasanlagen: Der Ernteumfang war mit 70% der Vorjahresmengen wirklich schlecht. Hier gilt es die Futterversorgung im kommenden Jahr nachzubessern. Bedrohlich ist die Lage für die schweinehaltenden Betriebe: Mäßige Erlöse bei extrem hohen Futterkosten machen die Rentabilität komplett kaputt. Wir können das Wetter beklagen, am Ende sind wir von den Launen der Natur in weiten Teilen abhängig.

Noch viel stärker als Boden, Sonne, Wind und Regen bestimmt die Politik unser Wirtschaften: Hier sehen wir sehr konkrete Bedrohungen für die zukünftigen Ernten: Wenn sich die Politik in Brüssel durchsetzt, werden in wenigen Jahren 70% der landwirtschaftlichen Flächen mit einem Totalverbot für Pflanzenschutzmittel belegt – Die Ernten werden dann erheblich kleiner ausfallen und viel stärker schwanken. Die Politik sägt hier -wie schon bei der Energiewende- an einem wesentlichen Pfeiler unserer Gesellschaft: der ausreichenden und sicheren Lebensmittelversorgung. Hier gilt es gegenzusteuern und die sichere Versorgung mit heimischen Nahrungsmitteln als wichtigste Aufgabe der Landwirtschaft nicht zu vernachlässigen.
Das Geschenk der Ernte verpflichtet uns alle zum einen zum sorgsamen Umgang mit Natur und Schöpfung und zum anderen zu zukunftsweisenden politischen Entscheidungen, die Klimaschutz und Biodiversität mit einer sicheren Versorgungslage sinnvoll zusammenfügen.
Erntedank 2022 – wir können uns nicht erinnern, dass der bäuerlichen Berufsstandes mit so vielen Sorgen in die Zukunft geblickt hat. Der Krieg in der Ukraine ist furchtbar und mit all seinen Folgen nicht einschätzbar, wir können hier nur auf einen raschen Frieden hoffen.
Das Erntedankfest ruft uns auf zurückzuschauen und zu bilanzieren: Sichere Ernten und reich gedeckte Tische sind keine Selbstverständlichkeit!
Wir wünschen ihnen, in welchem Rahmen Sie auch immer das Erntedankfest begehen, einen besinnlichen aber auch freudigen Tag –noch sind die Teller voll!

Markus Gerhardy, Kreislandwirt und Vorsitzender Landvolk Göttingen
Achim Hübner, Geschäftsführer Landvolk Göttingen Kreisbauernverband