Gedanken zum Erntedank 2019

06.10.19 Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Landwirtsfamilien,
Jedes Kind kennt das alte Spielchen: Das Gänseblümchen symbolisiert den heimlichen Schwarm und die abgezupften Blätter zeigen wie es um die Gefühlswelt steht: Er/Sie liebt mich oder Er/Sie liebt mich nicht. Ganz ähnlich sieht es manchmal mit Verbrauchern und Landwirten aus. Eine Problembeziehung ohne Lösung.
Zugegeben, von Gänseblümchen auf Landwirte und Verbraucher zu kommen, ist nicht unbedingt naheliegend, doch ich meine es passt auf merkwürdige Weise. Augenblicklich stecken wir, als Landwirtschaft, in einer unglücklichen Beziehung mit dem Verbraucher und der Politik. Von Verbraucherseite wird gezweifelt und kritisiert, von der Politik wird mit Schnellschüssen reagiert und trotzdem wird die gegenseitige Wichtigkeit erkannt. Wer blickt da noch durch?
Die „Grünen Kreuze“, die zurzeit im ganzem Land aufgestellt werden, sollen stumme Zeugen sein die die Ratlosigkeit auf unseren Betrieben wiederspiegelt. Unseren jungen Landwirtinnen und Landwirten geht die Puste aus, sie fühlen sich von der Politik überfahren. Das Pflanzenschutzabkommen, das dem Kabinett in Absprache mit dem Umwelt- und Landwirtschaftsministerium vorgelegt werden soll, hat das Fass zum überlaufen gebracht. 1000 Fragen und keine Antworten.
Dabei sind Landwirte die Versorger und damit Vertrauenspersonen schlechthin. Sie sorgen dafür, dass jeder, in unserem wunderbaren Land, eine große Auswahl an qualitativ hochwertigen, gesunden und vor allem sicheren Lebensmittel hat. Und das in einer Zeit, in der viele nicht mehr wissen, wie Tiere gehalten, wie auf dem Acker z.B. Getreide, Kartoffeln oder Zuckerrüben erzeugt werden, – wie eine Zuckerrübe aussieht und das man aus ihr tatsächlich Zucker macht.
Und das ist das Dilemma in dem wir stecken. Viele unserer Verbraucher haben ein Bild in den Köpfen von einer Landwirtschaft die von Wohlfühlzeitschriften vermittelt wird. Das ist nicht der Alltag auf dem Acker und in den Ställen unserer landwirtschaftlichen Betriebe.
Landwirte sind Unternehmer, sie müssen knallhart kalkulieren um ihre Betriebe am Laufen und am Überleben zu halten. Wir sollten und müssen Bündnisse mit dem Verbraucher schließen und gemeinsam Landwirtschaft neu denken denn immer wieder geraten wir in die öffentliche Kritik der Gesellschaft.
Themen wie Haltungsbedingungen der Tiere, Pflanzenschutzmitteleinsatz, Biodiversitätsverluste – das Spektrum der kritischen Themen ist groß. Vielleicht sind manche auch gerechtfertigt, vielleicht kann man bei dem einen oder anderem Thema andere Wege gehen. Dass dieses geht, machen ja schon viele Landwirte mit neuen Konzepten vor, wie wir, mit unserem Blühpatenprojekt des Landvolkverbandes hier, bei uns in Göttingen. Dieses tolle Projekt soll im kommenden Jahr weitergeführt werden, ich hoffe auch sie sind dabei!
Doch es gibt auch Themen da haben wir Landwirte das Gefühl: Hier stimmt was nicht mit der Verständigung, wir reden aneinander vorbei. Das beste Beispiel:
Pflanzenschutzmittel – (sind keine Pestizide) sie werden verwendet um die Pflanzen zu schützen, dieser Gedanke ist irgendwie abhandengekommen. Aber, wenn der Buchsbaum mit Zünslern befallen ist, oder das Basilikum von Läusen bevölkert – dann unternimmt der Bürger und Verbraucher ja auch etwas dagegen oder? Warum, frage ich mich, ist das bei Nutzpflanzen so verpönt?
Schuld ist, nach meiner Ansicht, dass fehlende Vertrauen. Und das wieder zu bekommen ist, wie in jeder Beziehung nicht so leicht. Die Gesellschaft hat sich im Laufe der Zeit verändert und damit auch die Rahmenbedingungen der Verbraucher – Landwirt – Beziehung
Als ich 1970 auf unserem Hof, in der Landwirtschaft aktiv wurde, ging es um Ziele wie: Nahrungssicherung, Technisierung und Wirtschaftlichkeit. Wir, als Landwirtschaft, haben uns darauf eingestellt und unseren Teil dazu beigetragen. Der Verbraucher hat sich an die selbstverständliche Sicherheit und Vielfalt an Nahrungsmittel gewöhnt, doch das Wissen diese Nahrungsmittel entstehen ist verloren gegangen. Es dominieren jetzt andere Themen wie: Umweltschutz, Tierethik und Nachhaltigkeit. Kein Wunder, dass dieser Spagat zwischen Wunsch und Wirklichkeit manchmal schiefgeht.
Und doch ergänzt es sich an anderen Stellen, Blühstreifen und Blühpatenschaften, moderne Ställe, die zwar nicht ins Bild von Wohlfühlzeitschriften passen aber, die den Tieren wissenschaftlich nachgewiesenen Komfort geben, neue Direktvermarktungsgeschäfte um nur einige zu nennen.
Unsere Landwirtsfamilien sehen Ihren Beruf als Berufung, allen widerständen zum Trotz. Sie lieben ihre Arbeit, versorgen die Tiere 365 Tage im Jahr und achten darauf, dass auf den Feldern gesundes Getreide heranwächst.
Die Landwirtschaft muss zeigen was sie kann, und erklären, warum sie was tut. Sie muss sichtbar sein. Ich lade sie ein, kommen sie am Samstag und Sonntag nach Duderstadt zum Apfel- und Birnenmarkt, da stehen wir mit unserem Infomobil. Hier können, wollen und sollten wir ins Gespräch kommen.
Lebensmittelsicherheit darf nicht mehr als selbstverständlich angesehen werden. Die Produktion von Lebensmitteln oder Flächenverbrauch gehören in die Köpfe. Da heißt es erst einmal zuhören statt gleich wieder zu streiten, sonst bleibt von der Landwirtschaft bald nichts mehr übrig als ein gerupftes Gänseblümchen.
Wir Bauernfamilien halten am Erntedank inne, blicken zurück und richten gleichzeitig den Blick nach vorn, indem wir unsere Äcker für das kommende Jahr wieder bestellen, in der Hoffnung, dass wir auch im Jahr 2020 Danke sagen können.
Danke sage ich allen, die achtsam mit Lebensmitteln umgehen und, die uns Landwirtslamilien Wertschätzung entgegen bringen. Das Erntedankfest ist dafür eine gute Gelegenheit.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, wo immer sie das Erntedankfest feiern, einen schönen, besinnlichen, aber auch freudigen Tag.

Ihr Hubert Kellner
Vors. der Landvolk Göttingen Kreisbauernverband und Kreislandwirt

Danke an unsere Landfrauen für die Fotos