Zum Erntedank

01.10.17 Zum Erntedank 

An diesem Sonntag feiern wir wieder das Erntedankfest.
Wir, das sind wir Bäuerinnen und Bauern, Landwirtsfamilien, mit Bezug zur Schöpfung und Umwelt, das sind die Menschen, die die Natur und Umwelt bewahren und sie behutsam und verantwortungsvoll nutzen.
Man muss nicht christlich geprägt sein, um die Bedeutung dieses Festes zu würdigen, denn es ist nicht selbstverständlich, dass wir ausreichend zu essen haben. Weltweit hungern etwa 800 Millionen Menschen, diese große Zahl der Hungernden lässt sich nicht von der Hand weisen, aber vor 20 Jahren waren es auch schon 800 Millionen Hungernde. Die Weltbevölkerung ist aber in diesem Zeitraum um 2 Milliarden Menschen angestiegen. Es ist also der Verdienst von Bäuerinnen und Bauern, dass wir hierzulande ausreichend zu essen haben.
Es sind die Bäuerinnen und Bauern die dafür sorgen, dass der Kühlschrank gefüllt ist und der Küchentisch reichhaltig gedeckt werden kann.
Vor nicht einmal 4 Generationen ernährte ein Bauer 4 Menschen, das waren unsere Urgroßeltern. Heute erzeugt ein Landwirt Nahrungsmittel für über 140 Menschen. War in früheren Jahren das ganze Dorf in die Produktionsabläufe der Landwirtschaft eingebunden, so ist es heute nur noch eine Handvoll, die in der Landwirtschaft arbeiten. Wo früher Mägde und Knechte in tagelanger Schwerstarbeit ernteten, wird heute mit modernster Technik im Ackerbau und in der Tierhaltung gearbeitet.
Wir Landwirte machen das mit Herz und Verstand. Landwirt zu sein ist nicht Beruf – sondern Berufung -, denn wenn wir diese moderne Technik auf unseren Höfen nicht einsetzen würden, würden noch mehr junge Menschen der Landwirtschaft den Rücken kehren.
Nur noch 1,5% der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig. Sie sorgen dafür, dass die Regale in unseren Geschäften immer gefüllt sind. Sie, liebe Mitbürger, können beruhigt zur Arbeit gehen, in den Urlaub fahren, ihre Freizeit genießen.
Der Verbraucher kann sich darauf verlassen, dass wir Landwirte Nahrungsmittel von hoher Qualität produzieren und die Bevölkerung mit regionalen Produkten versorgen. Auch die Versorgung in Krisenzeiten ist sichergestellt, damit sollten die Erwartungen der Verbraucher erfüllt sein. Das ist unser Job und, das machen wir gerne!
Doch, ein Aspekt wird dabei oft vergessen: Das wirtschaftliche Risiko tragen unsere Landwirtsfamilien seit eh und je selbst. Denn es ist immer das Wetter, das Aussaat, Pflege und Ernte beeinflusst.
Auch in diesem Jahr hat die Witterung viele meiner Berufskollegen zur Verzweiflung gebracht und vor eine Zerreißprobe gestellt: Der März zu warm, Anfang April zu trocken, dann warm und zu guter Letzt die verheerenden Nachtfröste bis zu minus 8 Grad noch im Mai. Die Eisheiligen bis Mitte Mai machten ihren Namen in diesem Jahr alle Ehre. Die Starkregenfälle im Juli, die innerhalb von einer Woche ein Drittel der Gesamtmenge an Niederschlag in einem Jahr ausmachten, waren bis vor kurzem noch zu spüren und sichtbar. Gesättigte Böden heißt das in der Fachsprache.
Es gelingt uns Landwirten dennoch – trotz unvorhersehbarer Witterungen und unkalkulierbaren Einflüssen – dem Verbraucher einen gut gedeckten Tisch mit Nahrungsmitteln zur Verfügung zu stellen und, vielleicht darüber hinaus auch noch, so viel zu produzieren, damit Menschen in anderen Ländern nicht hungern müssen, darum gibt es allen Grund „Danke“ zu sagen.
Danke aber auch allen Menschen, die achtsam mit Lebensmitteln umgehen und die uns Landwirten Wertschätzung entgegenbringen. Das Erntedankfest ist dafür eine gute Gelegenheit.
Ich wünsche ihnen allen, wo auch immer Sie das Erntedankfest feiern, einen schönen, besinnlichen, aber auch freudigen Tag

Ihr Hubert Kellner
Vors. des Landvolks Göttingen Kreisbauernverband und Kreislandwirt